Wenn zu wenig und zu viel schadet: Beweise für einen kurvenförmigen Zusammenhangen zwischen forschend-entwickelnder Unterricht und Schülerleistungen in den Naturwissenschaften
Nani Teig
Eine wachsende Zahl von Forschungsarbeiten hat die Wirksamkeit des forschend-entwickelnder Unterrichts untersucht, z.B. durch die Einbeziehung von Studenten in die Durchführung wissenschaftlicher Experimente. Diese Forschung ist jedoch reich an widersprüchlichen Ergebnissen: Während einige Studien zeigten, dass dieser Lehransatz positiv mit höheren Leistungen in den Naturwissenschaften zusammenhängt, fanden andere negative oder nicht signifikante Zusammenhänge.
Was kann die Ursache für die widersprüchlichen Ergebnisse sein?
Diese Inkonsistenz könnte mit der Art der Umsetzung im Unterricht und der Analyse der daraus resultierenden Daten zusammenhängen. Die meisten Studien betrachten den forschend-entwickelnder Unterricht mithilfe von Häufigkeitsskalen (d.h. wie oft bestimmte Unterrichtsaktivitäten stattfinden) und gingen davon aus, dass ein linearer Zusammenhang zu den Leistungen der Studierenden besteht. Die letztere Annahme kann jedoch fragwürdig sein: Die Durchführung von forschend-entwickelnder Unterrichtsaktivitäten erfordert viel Zeit während des Unterrichts, und eine übermäßige Nutzung dieses Ansatzes könnte den Zeitrahmen für andere notwendige Lehr- und Lernmethoden verringern. Anstatt also davon auszugehen, dass „je mehr forschend-entwickelnder Aktivitäten, desto besser“, sollten Forscher, die die Effektivität des Unterrichts untersuchen, die Möglichkeit eines kurvenförmigen Zusammenhangs in Betracht ziehen.
Wie verhält sich forschend-entwickelnder Unterricht zur Naturwissenschaftsleistung? Linear vs. kurvenförmig
Um dieser Frage nachzugehen, analysierte unsere Studie eine repräsentative Stichprobe norwegischer Neuntklässler aus der Studie Trends in Mathematics and Science Study (TIMSS) 2015. Es werden sowohl lineare als auch kurvenförmige Modelle der Beziehung zwischen forschend-entwickelnder Unterricht und Leistung auf Klassenzimmerebene getestet. Während ein lineares Modell zu einem nicht signifikanten Zusammenhang führte, zeigte das kurvenförmige Modell einen signifikanten Zusammenhang in Form einer umgekehrten U-Kurve (siehe Abbildung 1). Infolgedessen war bis zu einem optimalen Wert eine häufigere Teilnahme an forschend-entwickelnder Aktivitäten mit besseren Leistungen verbunden. Die Leistung in den Naturwissenschaften nahm ab, wenn dieser Lehransatz danach weiter verwendet wurde.

Anmerkung. Der forschend-entwickelnder Unterricht besitzt eine latente Skala mit Mittelwert Null. Die Skala von -4 bis 4 ist willkürlich gewählt.
Der Beweis des kurvenförmigen Verlaufs in dieser Studie stellt die Linearitätsannahme für die Wirksamkeit von forschend-entwickelnder Unterricht in Frage und trägt zur Erklärung der inkonsistenten Ergebnisse in früheren Studien bei. Zu wenige oder zu viele forschend-entwickelnder Unterrichtssaktivitäten im naturwissenschaftlichen Unterricht sind für das Lernen der Schülerinnen und Schüler möglicherweise überhaupt nicht vorteilhaft.
Diese Erkenntnis regte auch weitere Studien an, die den kurvenförmigen Zusammenhang auf verschiedenen Analyseebenen replizieren konnten. Zum Beispiel fand Cairns (2019) in den 69 Ländern, welche an der Studie Programme for International Student Assessment (PISA) 2015 teilnahmen, einen kurvenförmigen Zusammenhang zwischen forschend-entwickelnder Unterricht und Leistung auf Länderebene, während andere Studien ähnliche Ergebnisse auf Schülerebene fanden (z.B. Oliver, McConney, & Woods-McConney, 2019).
Auswirkungen auf die Forschung zur Unterrichtseffektivität
Nur wenige Studien zur Erforschung der Wirksamkeit des Unterrichts haben die wahrscheinliche Existenz von kurvenförmigen Zusammenhängen zwischen Unterrichtsfaktoren und den Schülerleistung in Betracht gezogen. Wie in dieser Studie gezeigt wird, haben zwei Variablen vielleicht keinen signifikanten linearen Zusammenhang, aber sind tatsächlich in einem kurvenförmigen Verlauf miteinander verbunden. Daher sollten Forscher bei der Untersuchung der Unterrichtseffektivität die Möglichkeit eines kurvenförmigen Zusammenhangs in Betracht ziehen. Diese Untersuchung ist insbesondere für die Studien von entscheidender Bedeutung, die Unterrichtsfaktoren mithilfe von Häufigkeiten messen, wie z.B. bei TIMSS und PISA.